In diesen Formulierungen kündet sich eine charakteristische Tendenz des heroisch-völkischen Realismus an : die Depravierung der Geschichte zu einem nur zeitlichen Geschehen, in dem alle Gestaltungen der Zeit unterworfen und deshalb »minderwertig« sind. Eine solche Entgeschichtlichung findet sich allenthalben in der organizistischen Theorie : als die Entwertung der Zeit gegenüber dem Räume, als die Erhöhung des Statischen über das Dynamische, des Konservativen über das Revolutionäre, als die Ablehnung aller Dialektik, als Preis der Tradition um der Tradition willen. Niemals ist die Geschichte weniger ernst genommen worden als jetzt, wo sie primär auf die Erhaltung und Pflege des Erbes ausgerichtet wird, wo Revolutionen als »Nebengeräusche«, als »Störungen« der Naturgesetze gelten und wo naturhaften Kräften des »Blutes« und des »Bodens« die Entscheidung über Menschenglück und Menschenwürde ausgeliefert wird. In solcher Entgeschichtlichung des Geschichtlichen verrät sich eine Theorie, die das Interesse an der Stabilisierung einer vor der geschichtlichen Situation nicht mehr zu rechtfertigenden Form der Lebensverhältnisse ausdrückt. Das wirkliche Ernstnehmen der Geschichte könnte allzu sehr an die Entstehung dieser Form erinnern und an die Möglichkeiten ihrer Veränderung, die sich aus ihrer Entstehungsgeschichte ergeben – kurz : an ihre Vergänglichkeit und daran, daß »die Stunde ihrer Geburt… die Stunde ihres Todes ist« (Hegel). Sie wird ideologisch verewigt, indem sie als »natürliche Lebensordnung« in Anspruch genommen wird.
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« Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären Staatsauffassung »
, vol. 3
, Zeitschrift für Sozialforschung n° 2
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p. 161–195
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