02 05 21

DER GROSSE : Das Bier ist kein Bier, was dadurch aus­ge­gli­chen wird, daß die Zigarren keine Zigarren sind, aber der Paß muß ein Paß sein, damit sie einen in das Land herein­las­sen.

DER UNTERSETZTE :Der Paß ist der edel­ste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so ein­fache Weise zus­tand wie ein Mensch. Ein Mensch kann übe­rall zus­tand­kom­men, auf die leicht­sin­nig­ste Art und ohne ges­chei­ten Grund, aber ein Paß nie­mals. Dafür wird er auch aner­kannt, wenn er gut ist, wäh­rend ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht aner­kannt wird.

DER GROSSE :Man kann sagen, der Mensch ist nur der mecha­nische Halter eines Passes. Der Paß wird ihm in die Brusttasche ges­teckt wie die Aktienpakete in das Safe ges­teckt wer­den, das an und für sich kei­nen Wert hat, aber Wertgegenstände enthält.

DER UNTERSETZTE :Und doch könnt man behaup­ten, daß der Mensch in gewis­ser Hinsicht für den Paß not­wen­dig ist. Der Paß ist die Hauptsach, Hut ab vor ihm, aber ohne dazu­gehö­ri­gen Menschen war er nicht möglich oder min­des­tens nicht ganz voll. Es ist wie mit dem Chirurg, er braucht den Kranken, damit er ope­rie­ren kann, inso­fern ist er unselbstän­dig, eine halbe Sach mit sei­ner gan­zen Studiertheit, und in einem moder­nen Staat ist es eben­so ; die Hauptsach ist der Führer oder Duce, aber sie brau­chen auch Leut zum Führen. Sie sind groß, aber irgend jemand muß dafür auf­kom­men, sonst gehts nicht.

DER GROSSE :Die bei­den Namen, die Sie erwähnt haben, erin­nern mich an das Bier und die Zigarren hier. Ich möcht sie als füh­rende Marken anse­hen, das Beste was hier zu haben ist, und ich seh einen glü­ck­li­chen Umstand darin, daß das Bier kein Bier ist und die Zigarre keine Zigarre, denn wenn da zufäl­lig keine Übereinstimmung bestände, war das Restaurant kaum zu füh­ren. Ich nehm an, daß der Kaffee auch kein Kaffee ist.

DER UNTERSETZTE :Wie mei­nen Sie das, glü­ck­li­cher Umstand ?

DER GROSSE :Ich mein, das Gleichgewicht ist wie­der her­ges­tellt. Sie brau­chen den Vergleich mitei­nan­der nicht zu scheun und kön­nen Seit an Seit die ganze Welt heraus­for­dern, kei­ner von ihnen find einen bes­sern Freund, und ihre Zusammenkünfte ver­lau­fen har­mo­nisch. Anders, wenn der Kaffee z. B. ein Kaffee und nur das Bier kein Bier war, möchte die Welt leicht das Bier min­der­wer­tig schimp­fen, und was dann ? Aber ich halt Sie von Ihrem Thema ab, dem Paß.

DER UNTERSETZTE :Das ist kein so glü­ck­liches Thema, daß ich mich nicht von ihm abhal­ten las­sen möcht. Ich wun­der mich nur, daß sie grad jetzt so aufs Zählen und Einregistrieren der Leut aus sind, als ob ihnen einer ver­lo­ren gehen könnt, sonst sind sie jetzt doch nicht so. Aber sie müs­sen ganz genau wis­sen, daß man der und kein ande­rer ist, als obs nicht völ­lig gleich war, wens verhun­gern las­sen.

LE GRAND : Cette bière n’est pas de la bière, mais les cigares non plus ne sont pas des cigares, ça s’é­qui­libre ; par contre, pour y entrer dans ce pays, il vous faut un pas­se­port qui soit un pas­se­port.

LE TRAPU : Le pas­se­port est la par­tie la plus noble de l’homme. D’ailleurs, un pas­se­port ne se fabrique pas aus­si sim­ple­ment qu’un homme. On peut faire un homme n’im­porte où, le plus dis­trai­te­ment du monde et sans motif rai­son­nable ; un pas­se­port, jamais. Aussi recon­naît-on la valeur d’un bon pas­se­port, tan­dis que la valeur d’un homme, si grande qu’elle soit, n’est pas for­cé­ment recon­nue.

LE GRAND : Disons que l’homme n’est que le véhi­cule maté­riel du pas­se­port. On lui fourre le pas­se­port dans la poche inté­rieure du ves­ton, tout comme à la banque, on met un paquet d’ac­tions dans un coffre-fort. En soi, le coffre n’a aucune valeur, mais il contient des objets de valeur.

LE TRAPU : Et pour­tant on pour­rait sou­te­nir qu’à cer­tains égards l’homme est indis­pen­sable au pas­se­port. Sans homme qui aille avec, pas de pas­se­port pos­sible ou, en tout cas, il lui man­que­rait quelque chose. Non ce qui m’é­tonne un peu, c’est qu’ils aient pris subi­te­ment la manie de comp­ter les gens et de les enre­gis­trer, comme s’ils avaient peur d’en perdre : d’ha­bi­tude ils ne sont pas comme ça. Mais voi­là : ils tiennent à savoir très exac­te­ment qu’on est bien X et non pas Y, comme si ça avait la moindre impor­tance de savoir qui lais­ser cre­ver de faim.

«  Flüchtlingsgespräche  »
Gesammelte Werke in 20 Bänden [1967 (1961)]
t. 14 Prosa 4
chap. 1 : Über Pässe / Über die Ebenbürtigkeit von Bier und Zigarre / Über die Ordnungsliebe
Suhrkamp
p. 1383–1385
trad. G. Badia et J. Baudrillard, L’Arche, 1965 (p. 9–13) dialogue exil frontière